Franz-Michael-Felder-Straße

1909 benannt. Verbindung von der Kaiser-Franz-Josef-Straße zur Bahnhofstraße.

Franz Michael Felder 1839 – 1869

Franz Michael Felder war nach bisherigen Ermittlungen im Jahr seines Todes 1869 im ganzen deutschen Sprachgebiet der erste und einzige Autor, der seine Existenz als Bauer sicherte und gleichzeitig  Bauernromane schrieb. „Ein Bauer als Dichter – unerhört“, wurde er 1865 vom Leipziger Germanisten Rudolf Hildebrand vorgestellt.

Er wurde am 13. Mai 1839 als Sohn eines Bauern in Schoppernau-Oberdorf geboren. Felder zeigte schon in seiner Jugend, die durch eine schwere Beeinträchtigung des Augenlichts und den Verlust des Vaters mit dreizehn Jahren überschattet war, reges Interesse für Literatur, die er geradezu verschlang. Wöchentlich gab er die „Schoppernauer Schulzeitung“ heraus. Nach der Volksschule ergriff er angesichts der schwierigen familiären Verhältnisse den Beruf des Bauern. Aber jede freie Minute, die ihm neben der Stall- und Feldarbeit blieb, nützte er dazu, seinen Horizont durch die Lektüre von Zeitungen – dass ein so junger Bub solche abonnierte, war damals ungeheuerlich – und Werken der Klassiker zu erweitern.

Nachdem er von einer schweren Erkrankung wider Erwarten genesen war, eröffnete sich ihm bei einer Reise nach Lindau erstmals die „große Welt“. Alles oder doch das meiste, was ihm begegnete und ihn berührte, schrieb er in Tagebücher, wurde zu Gedichten und verschiedenen Entwürfen. Unmittelbar vor seiner Hochzeit im Jahr 1861 mit Nanni Moosbrugger raffte er alle seine Schriften spontan zusammen und verbrannte sie, damit – wie er in seiner Selbstbiografie schreibt – „einmal Besseres entstehen soll“.

1862 veröffentlichte Felder in Lindau für die Freunde der damals beliebten „Dorfgeschichte“ die große Erzählung „Nümmamüllers und das Schwarzokaspale“. Es sollten an großen Veröffentlichungen die Romane „Sonderlinge“ (1867) und „Reich und Arm“ (1868) und im selben Jahr die Erzählung „Liebeszeichen“ folgen. Hildebrand, der ihn – wie erwähnt – 1865 im deutschen Weltblatt „Gartenlaube“ vorgestellt hatte, besuchte Felder 1867 zu Hause, und er folgte dessen Einladung im selben Jahr nach Leipzig, wo er gute Verbindungen knüpfen konnte. Der Tod seines „Wible“ Nanni, mit der er fünf Kinder hatte, im Jahr 1868 war ein schwerer Schicksalsschlag. Unter schonungsloser Anspannung seiner geistigen Kräfte konnte er im März 1869 den ersten Teil seiner Selbstbiografie „Aus meinem Leben“ abschließen. Wenige Wochen später, am 26. April, verstarb Felder im dreißigsten Lebensjahr an einem Lungenleiden.

Felders Ruf gründet sich heute vorwiegend auf seine literarischen Werke, die nicht nur ein anschauliches Bild ihrer Entstehungszeit vermitteln, sondern auch die Schicksale der ländlichen Bevölkerung auch heute noch jeden Leser miterleben und mitfühlen lassen. An dieser Stelle soll aber auch sein Wirken für seine Zeitgenossen im Hinteren Bregenzerwald ebenfalls gebührend beachtet werden. Die öffentliche Meinung war damals im größten Teil des Landes von einigen Dorfhonoratioren und der Geistlichkeit bestimmt. Felder war es zuzuschreiben, dass schließlich bis zu 20 verschiedene Zeitungen und Zeitschriften von einer breiten Bevölkerung gehalten wurden. Auf sein Betreiben entstand 1866/67 eine der ersten  Volksbibliotheken der Monarchie in Schoppernau. Felders erhaltene Redemanuskripte sind ein Beleg dafür, wie damals durch sein Wirken die von alters her repräsentative Öffentlichkeit durch eine kritische und demokratische konkurrenziert wurde. In all diesen Bemühungen war ihm sein Schwager Kaspar Moosbrugger vielfach Anregung und Stütze. Gemeinsam hatten sie versucht, eine „Vorarlbergische Partei der Gleichberechtigung“ zu gründen. Zu ihm floh Felder, als die Angriffe auf ihn auch für sein Leben bedrohlich erschienen.

Seinen reformerischen Ideen folgten aber auch sehr wirkungsvolle Taten, vor allem in der Gründung von Genossenschaften. Die Existenz der Bauern des Bregenzerwaldes war damals von mehrfacher Abhängigkeit geprägt, vor allem von den „Käsgrafen“, die den Käsehandel völlig beherrschten, von den vorwiegend Schweizer Fabrikanten und ihren Zwischenhändlern („Ferggern“), die die ungleich billigeren Handstickerinnen in Vorarlberg ausnützten. Durch die Gründung von Handels- und Produktivgenossenschaften und ihrer geschickten Kalkulation konnte für einige Jahre den Monopolisten wirkungsvoll entgegengearbeitet werden. Der Versuch, eine holzverarbeitende Industrie (mit  angeschlossenem Handwerk) aufzubauen, sollte dem Umstand entgegenwirken, dass alljährlich wertvolle Arbeitskräfte zur Sommerarbeit ins Ausland wandern mussten. Felder folgte dabei zunächst den Ideen von Hermann Schulze-Delitzsch, später von Ferdinand Lassalle, schließlich erblickte er sein Bild der Genossenschaft in der Liebesmahlgemeinschaft, in der Christus anwesend ist. Felder war aber bei aller rastlosen Tätigkeit kein verbohrter Revolutionär, sondern ein durchaus „festlicher Mensch“, der auch im Freundeskreis und im festlichen Beisammensein schon einen Teil seiner Idealvorstellungen verwirklicht sah. Seine Tätigkeit brachte ihm eine breite Anhängerschaft, nicht nur in seiner Heimatgemeinde, wo er seit 1868 auch als Gemeinderat wirkte.

Norbert Häfele, 1984

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