100 Jahre Rheindurchstich

Ein Jahrhundert Rheindurchstich 1923: Hohenems wächst – und gewinnt ein Naturjuwel

Hohenems kann im Frühjahr 2023 zwei bedeutende Jubiläen feiern; Jubiläen, welche nicht nur eine kleine Fußnote bedeuten, sondern auf Entscheidungen hinweisen, welche die Entwicklung zur heutigen Stadt maßgeblich beeinflussen sollten.

1983 wurde Hohenems feierlich zur jüngsten Stadt des Landes Vorarlberg erhoben – der Grundstein für wichtige wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen der vergangenen Jahre. Der „Diepoldsauer Rheindurchstich“ und der daraus geborene „Alte Rhein“ haben zuvor wiederum vor allem zweierlei gebracht: Das Schreckgespenst regelmäßiger und verheerender Überflutungen des Talbodens verlor ab 1923 in Hohenems seine Bedeutung, nachdem zuvor der Abschluss des „Koblacher Kanals“ bereits erste Entlastung brachte. Große Teile des früheren Überschwemmungs- wurden nun in Kulturland umgewidmet. Diese neue Sicherheit lud gerade auch im Hohenemser Gebiet „unter der Bahn“, also westlich der 1872 eröffneten Bahnstrecke, zur Errichtung eines Eigenheims ein: 1921 waren hier lediglich acht Straßen mit 82 Häusern zu finden, im Jahr 1990 konnten 88 Straßen mit 910 Häusern verzeichnet werden – also rund elfmal so viele, und das binnen einer Generation. Die Gesamteinwohnerzahl der Gemeinde – 5.153 laut der Volkszählung 1923 – stieg bereits in den kommenden zwei Jahrzehnten um über 30 Prozent, in weiterer Folge dann noch rasanter. Das einst kleine Dorf konnte so zur Stadt heranwachsen.

Der Hohenemser Rheinhof entstand dank dieser bedeutsamen Rheinregulierung – der Rheinschlamm bot die Grundlage für fruchtbares Acker- und Weideland der bäuerlichen Höfe. Neue Wirtschaftsbetriebe siedelten sich an; die lähmende Angst vor dem zuvor immer wieder verzeichneten Hochwasser wich einer neuen Investitionsfreude. Profitieren sollte die Hohenemser Wirtschaft dann vor allem ab den 1950er-Jahren, als die Zeit der Weltwirtschaftskrise und des Zweiten Weltkrieges überwunden waren: Gerade die Nachbarschaft zur Schweiz beflügelte diesen Aufschwung. Heute ist in Hohenems eine beständig wachsende Vielzahl von erfolgreichen Unternehmen zu finden, die ein breites Spektrum abdecken.

Eine weitere Entwicklung wurde angestoßen: Mit jedem Jahr entwickelte sich der nunmehr „alte“ Rheinverlauf zum Naherholungsgebiet und Biotop von überregionaler Bedeutung. Im Laufe der Jahrzehnte änderte sich die Badekultur gravierend, neue Sportarten erfuhren Breitenwirkung, auch die Angler am Flussufer perfektionierten ihre Technik: Gleich geblieben ist die Sehnsucht der Menschen nach dem naturbelassenen Gebiet am Wasser. Über 20 Fisch- und 100 Schmetterlingsarten fanden hier einen Lebensraum; die unter Schutz stehende Bachmuschel belegt die Reinheit und den Sauerstoffreichtum dieses Gewässers. Um die umfangreiche Flora und Fauna zu bewahren, wurde das Gebiet unter Naturschutz gestellt; ergänzende Verordnungen der Stadt sorgten dafür, dass Mensch und Natur hier gleichberechtigt und in Einklang Raum finden.

Eine bewegte Geschichte

Wer sich heute am malerischen Ufer des Alten Rheins sonnt, denkt nicht daran, dass ein solches Naturparadies auch Ort wiederkehrender dramatischer Geschehnisse sein konnte: Die Grenznähe sollte nicht nur in den 20er-Jahren regen Schmuggel begünstigen, sondern von 1938 bis 1945 auch eine Fluchtmöglichkeit vor dem NS-Regime in die Schweiz darstellen – eine Flucht, deren Gelingen über Leben oder Tod entscheiden konnte. Die 2012 so benannte „Paul-Grüninger-Brücke“ erinnert an einen der Menschen, die zahlreiche Flüchtlinge unterstützt hatten. Das Jüdische Museum Hohenems hat viele der Fluchtgeschichten dokumentiert. Seit dem Jahr 2022 sind vor Ort 52 „Grenzsteine“ platziert, welche diese Erzählungen mittels QR-Codes hörbar machen: Das Ergebnis einer gemeinde- wie grenzübergreifenden Kooperation, ein Ansatz, welcher erfreulicherweise jetzt auch mit mehreren Ausstellungen zum aktuellen Rheindurchstich-Jubiläum gepflegt wird. Der Rhein trennt nicht nur – er verbindet auch.

Sicherheit, Mobilität und Kooperation: Investitionen in die Zukunft

Der Alte Rhein ist für Menschen aus der gesamten Region zum Sehnsuchtsort geworden. Die Stadt Hohenems wird den bewährten Weg auch weiterhin gehen: Zum einen gilt es, allen Menschen die sorgsame Nutzung dieses liebgewonnenen Naherholungsgebietes zum kostenlosen Freizeitvergnügen zu ermöglichen. So wurden 2017 hier beispielsweise offizielle, gut ausgestattete Grillstellen für die Bevölkerung eingerichtet – eine gezielte Maßnahme, welche die Ausflügler zum gemütlichen Verweilen einlädt, gleichzeitig notwendigerweise aber auch die Grenze setzt, wo Tier- und Pflanzenwelt möglichst ungestört bleiben sollen.

Das Gewässer ist bereits jetzt gut für Radfahrer aus allen Richtungen erreichbar, führen doch ausgedehnte Radwege entlang des Rheins wie auch entlang der Bahntrasse durchs Rheintal. Auf zwei Routen – entlang des Emsbachs und durchs Witzke – besuchen die Radfahrer, die aus Hohenems kommen, derzeit das Naherholungsgebiet. In wenigen Jahren wird dies noch komfortabler, wenn erstgenannte Route nach der Schillerallee etwas südlicher im Bereich der künftigen „Südspange“ geführt werden kann.

Die etablierte Kooperation der Gemeinden am Rhein, sei es in Österreich oder der Schweiz, ist ein Garant dafür, dass dieser Weg mit umfassenden und nachhaltig gesetzten Maßnahmen erfolgen wird. Eine wichtige neue Rolle wird der Alte Rhein auch im Rahmen des großangelegten, gemeinsamen Hochwasserschutzprojektes „Rhesi“ einnehmen, und wiederum selbst den Neuen Rhein bei gravierenden Überflutungen und Dammbrüchen entlasten. Die vielfältigen Kooperationen, die anlässlich des Jubiläums 2023 geschaffen werden konnten, sind ein schöner Indikator dafür, dass all diese Projekte auch weiterhin mit vereinter Kraft und Sorgfalt weiterverfolgt werden.

Veranstaltungen, Ausstellungen und Aktionen zum Jubiläum

Das Programm zum Jubiläumsjahr startet Mitte April: Mehr Informationen und alle Veranstaltungen finden Sie unter www.100jahre-rheindurchstich.com!

So wird es beispielsweise einen Themen-Radweg geben, der entlang des Rheins führt. Eine historische Wanderausstellung wird einen geschichtlichen Überblick über den Rheindurchstich geben: Erstmals zu sehen ist sie im Hohenemser Salomon-Sulzer-Saal, an den Wochenenden von 20. bis 23. sowie nochmals vom 27. bis 30. April 2023, donnerstags und freitags von 16 bis 19.30 Uhr sowie samstags und sonntags von 14 bis 18 Uhr.

Kontakt für Führungen: Stadtmarketing Hohenems, Tel. 05576/7101-2000, E-Mail stadtmarketing@hohenems.at

Bild aus vergangenen Tagen: Überschwemmung in Hohenems-Bauern 1906.

Der Alte Rhein hat sich zum Naturjuwel entwickelt.

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