100 Jahre Rheindurchstich

„Die Korrektur eines Tunichtguts“ – im Gespräch mit Regisseurin Heidi Salmhofer

Das Theaterstück begleitet die Geschichte des Rheindurchstichs bei Diepoldsau und die Geschichte(n) der Menschen, die mit dem ungehorsamen Fluss lebten, ihn regulierten und heute vor allem genießen. Premiere feiert das Stück am Freitag, dem 18. August 2023.

Heidi Salmhofer hat das Stück konzipiert. Die studierte Theaterwissenschaftlerin und Publizistin ist in Wiener Neustadt geboren und absolvierte neben dem Studium parallel auch Schauspielunterricht. Sie war von 2018 bis 2023 im Vorstand des „Theater Karussell“ in Liechtenstein und im Gründungsteam der Festspiele Gutenberg in Balzers (FL). Als selbständige Theatermacherin und Kolumnistin in Vorarlberg lebt und arbeitet sie nun in Hohenems.

Die Blättle-Redaktion traf die Regisseurin vorab zum Gespräch auf der Theaterbühne am Alten Rhein:

Frau Salmhofer, wie sind Sie auf die Idee gekommen, das Theaterstück „Die Korrektur eines Tunichtguts“ zu schreiben und warum haben Sie sich gerade der Thematik des Rheindurchbruchs bei Diepoldsau angenommen?

Ich glaube, dass es das Universum war, welches mir das gesagt hat. Vor zwei Jahren, kurz vor Corona, war ich bereits hier und habe mit einem Schauspielkollegen bei der „Kultour“ mitgemacht (organisiert von den Gemeinden amKumma). Wir haben da am Steg oben auch so eine Art „Collage“ gemacht, aber ein Lesetheater. Ich bin dann hier drin gestanden und hab mir gesagt, hier möchte ich mal Theater machen. Stefan Flatz ist dann auf mich zugekommen und hat gesagt: Heidi, da gibt’s die Idee für ein Theater zum Rheindurchstich und ob ich nicht Lust hätte, da was zu machen. Und da hab ich natürlich sofort ja gesagt. Es stand dann die Frage im Raum, was macht man? Nur eine Geschichte, die am Rhein spielt, die gewisse Elemente aus einer Zeit mit reinnimmt oder mehr.

Das Stück zeigt die Geschichte des Rheindurchbruchs aus verschiedenen Perspektiven. Welche Botschaft möchten Sie dem Publikum mit dem Stück vermitteln?

Man wandert wirklich mit dem Rhein, der da in dem Stück figürlich dargestellt wird. Man wandert mit einem Mann, dem Tunichtgut, durch die Zeit. Ich liebe es, die Geschichte der Rheinkorrektur theatralisch-humoristisch, mit ein bisschen Fantasie unterlegt, darzustellen. Ich finde es cool aufzuzeigen, was am Rhein hätte passieren können, aber auch was tatsächlich passiert ist – also quasi „Geschichtsunterricht auf unterhaltsam“.

Wie haben Sie diese Balance zwischen Unterhaltung und Ernsthaftigkeit bei „Die Korrektur eines Tunichtguts“ gefunden?

Das geht gut. Einerseits gibt’s verschiedene Szenen, wo ich mir die Freiheit nehmen kann, Humor hineinzubringen. Dadurch, dass es eine „Collage“ ist, gibt es natürlich auch Bilder, die durchaus nicht zum Lachen sind, die dann aber schon auch wieder aufgebrochen werden mit einem Schmunzler zum Ende hin, für die Leichtigkeit beim Besucher, der ja nicht total betrübt nach Hause gehen soll. Ein humorvolles Bild wäre beispielsweise eine Szene, in der sich der Vater auslässt, dass sich seine Tochter in einen Diepoldsauer verliebt hat und das geht ja gar nicht, oder auch eine Schmugglergeschichte – mehr wird noch nicht verraten. Bei der Fluchtgeschichte geht das natürlich nicht. Ich meine auch, dass mir das nicht zusteht, mich mit diesem Thema humoristisch auseinanderzusetzen.

Die Sprachvielfalt der Region spiegelt sich in den Dialekten der Schauspieler wider. Wie wichtig war es Ihnen, diese regionale Identität im Stück zu integrieren?

Total wichtig. Ich finde so ein Stück wäre für mich persönlich sonst gar nicht machbar, weil das einfach dazugehört. Dialekt ist etwas, das sehr verbindet, mit seiner eigenen Umgebung. Du hörst, wenn die Leute reden und weißt, woher sie kommen. Durch dieses „Woher sie kommen“ haben sie auch sofort eine Verbindung hier her zum Alten Rhein. Das fand ich auch für mich in der Arbeit total spannend, weil ich Sprache per se als etwas total Aufregendes empfinde, auch die Entwicklung von Sprache. Ich finde es auch wichtig, die Ursprünge und auch die Differenzen zu betrachten, beispielsweise zwischen Diepoldsau und Hohenems alleine. Dadurch soll auch beim Publikum ein Gespür für Dialekte entstehen. Ich glaube das Faszinierende ist, so viele verschiedene Menschen ganz bewusst in ihrer Dialektform zu lassen. Ohne zu sagen, einer muss einen Schweizer spielen, obwohl er keiner ist. Das finde ich sehr spannend, weil es auch für die Schauspieler eine Erleichterung ist, so zu reden „wie einem der Schnabel gewachsen ist.“

Als Regisseurin und Autorin des Stücks arbeiten Sie hier mit Laienschauspielern zusammen. Wie gestalten Sie diese kollaborative Erfahrung, und wie fließen die Ideen der Mitwirkenden in die Inszenierung ein?

Das ist mir als Regisseurin immer ein Anliegen. Regiearbeit heißt nicht, übertrieben gesagt, 20 Heidis auf die Bühne zu stellen. Ich schaue mir gerne an, wie interpretiert jemand etwas. Kreative Arbeit ist immer eine Symbiose von Leuten, die miteinander was tun und was erleben.

Das Freilufttheater im Kieswerk „Kies-Kopf“ verspricht eine einzigartige Atmosphäre. Wie haben Sie die Location in Ihre Inszenierung integriert, und welchen Einfluss hat sie auf die emotionale Wirkung des Stücks?

Ich glaube, dass Natur und Landschaft per se eine emotionale Wirkung haben. Wenn man hier sitzt und die Sonne untergeht, man den Rhein betrachtet und den Schwan beobachtet, das berührt einfach. Wenn man dann in dem Stück noch den Zusammenhang baut, dass sich das nicht immer so friedlich darstellte und der Ort nicht nur ein Ort der Erholung, sondern auch des Kampfes war, dann glaub ich schon, dass das einen Eindruck beim Zuseher hinterlässt. Es soll bewusst gemacht werden, dass nicht immer alles super war hier.

Das Theaterstück wird im Rahmen eines grenzüberschreitenden Projekts von sieben Anrainergemeinden aufgeführt. Wie hat diese Zusammenarbeit Ihre Arbeit beeinflusst?

Die Leute, die hier sind, waren extrem enthusiastisch. Die Herausforderung an sich ist, mit Laiendarstellern alles unter einen Hut zu bringen. Jemand ist immer auf Urlaub oder hat natürlich auch andere Verpflichtungen. Alle zusammen zu bekommen ist die Herausforderung. Das Grenzüberschreitende hat uns untereinander nähergebracht, das ist das Verbindende. Wir haben uns bei den Proben eher gefragt, warum der Hohenemser nicht in Diepoldsau spazieren geht und umgekehrt. Da gibt es so eine „gebaute Grenze“ im Kopf. Wir haben auch ab und zu „in der Schweiz“ geprobt und es ist schon deutlich zusammengewachsen untereinander. Das ist echt cool.

Wie unterscheidet sich das Schreiben und Inszenieren eines eigenen Stücks von anderen Aufträgen, an denen Sie bereits beteiligt waren?

Bei einem eigenen Stück habe ich natürlich keinen Genierer, Dinge zu streichen. Wenn ich ein „fremdes“ Stück übernehme, bin ich schon sehr respektvoll, weil ich weiß, was es heißt, selber zu schreiben und sich da was zu überlegen. Hier war es so, als ich das Stück geschrieben habe, da gibt es Elemente auf Hochdeutsch. Das ist vom Rhythmus her o.k. – aber das bekommt natürlich einen anderen Rhythmus, wenn es beispielsweise von einem Lustenauer „übersetzt“ wird. Und da muss ich auch „loslassen“ können und sagen „o.k.“! Wir lassen den ein oder anderen Satz oder den Schmäh weg, weil der so nicht mehr funktioniert. Wir adaptieren da in der Probenarbeit natürlich immer wieder neu.

Welche Erwartungen haben Sie an die Reaktion des Publikums auf „Die Korrektur eines Tunichtguts“?

Einerseits habe ich gemerkt, wie wichtig Geschichte und der Blick darauf ist. Ohne das, was die Menschen vor uns geleistet haben, könnten wir jetzt hier nicht sitzen. Das Stück ist eine Art Respekt gegenüber unserer Geschichte (und den Menschen aus unserer Vergangenheit). Es wäre schön, wenn das die Menschen mitnehmen. Natürlich auch den Blick darauf, dass Leute hier vor einigen Jahrzehnten noch um ihr Leben geschwommen sind und wir hier heute „Stand-Up-Paddeln“. Man sollte nicht immer Schuldgefühle wecken, aber sich die Geschichte ins Bewusstsein rufen. Ich glaube das kann den Blick aufs Leben verändern. Eines der Schlusswörter, die der „Rhein“ sagt: „Die Gegenwart ist schöner, wenn man sich der Vergangenheit bewusst und der Zukunft gewahr ist.“

Ein perfektes Schlusswort. Möchten Sie den Besuchern abschließend noch etwas mit auf den Weg geben?

Laientheater ist sehr wichtig, und für mich ein wichtiger Bestandteil, auch professionelles Theater zu fördern, indem man das ernst nimmt. Besucher, die hierherkommen, werden vielleicht inspiriert, auch ein professionelles Theater zu besuchen. Das wäre mir wichtig.

100 Jahre Rheindurchstich: „Die Korrektur eines Tunichtguts“

  • Termine: 18. / 19. / 24. / 25. / 26. August 2023, jeweils 20 Uhr
  • Wetterbedingte Ersatztermine: 20. und 27. August 2023, jeweils 20 Uhr
  • Tickets: Stadtmarketing Hohenems, Marktstraße 2, Tel. 05576/7101-2000; online unter www.hohenems.travel oder E-Mail stadtmarketing@hohenems.at

Heidi Salmhofer (Regie, Buch & Bühne)

Simon Martin auf Pferd Valentin hier als J.J. Ender aus Mäder (sowie als Hans + Willy Greber + Politiker), Wolfgang Rainer als Kaiser (sowie als Schmuggler Heinz + „Vorarlberger“), Marcus Harm (r.) hier als Gehilfe des Kaisers (sowie als Jemand + Gustav (Wien) + Schmuggler Franz + Grenzbeamter + ital. Angelo)

Wolfgang Rainer hier als Kaiser (sowie als Schmuggler Heinz + „Vorarlberger“)

v. l. Birgit Hartmann hier Statistin (sowie als Marie Winter + „Frau“), Marielle Carpenter als Statistin, Ilse Benkic´ hier als Statistin (sowie als „Joggerin“)

v. l. Birgit Hartmann hier Statistin (sowie als Marie Winter + „Frau“), Marielle Carpenter als Statistin, Ilse Benkic´ hier als Statistin (sowie als „Joggerin“)

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