Zwischen 1934 und 1945 wurden in NS-Deutschland und in NS-Österreich zwischen 70.000 und 100.000 Menschen mit Behinderungen in verschiedenen Institutionen ermordet, die teils als „Heil- und Pflegeanstalten“ bezeichnet waren. Rund 400.000 Personen wurden Zwangssterilisierungen unterzogen. Mindestens zehn Hohenemser Bürger wurden im Zuge des Euthanasie-Programms ermordet. Ihre Biographien sind exemplarisch für die Schicksale vieler, die in den Blickpunkt der NS-Euthanasie geraten waren. Das Programm traf Menschen verschiedenster sozialer Schichten, egal, ob sie aus armen, sozial vernachlässigten oder angesehenen, reichen Familien stammten: Personen, die von Geburt an unter Beeinträchtigungen litten, ebenso wie Veteranen, die im Ersten Weltkrieg psychische Folgeschäden davongetragen hatten. Dies wird in der Gegenwartsgesellschaft nicht oft thematisiert, in Hohenems aber nun ergänzend zu den „Stolpersteinen“ aufgegriffen, die seit 2014 der Erinnerung an die jüdischen Opfer der NS-Diktatur gewidmet sind.
Bildhauer Udo Rabensteiner hat ein Denkmal gefertigt, das etwa 175 Zentimeter im Quadrat bei einer Höhe von etwa 30 Zentimetern umfasst. Ein Riss durchzieht eine Platte aus Schwarzachtobler Quarzsandstein und teilt sie in fünf Elemente. Eines dieser Steinelemente trägt die Inschrift „Im Gedenken an die Hohenemser Opfer der nationalsozialistischen Euthanasie und Verfolgung“. Dieser Riss symbolisiert, wie einst Familien gewaltsam auseinandergerissen wurden und selbst die heutige Gesellschaft noch eine sichtbare Bruchlinie durchzieht. Das Denkmal ist ein Erinnerungsort und will dennoch auch einen optimistischen Ausblick geben: Erde und Blütenstaub werden im Laufe der Jahre den Riss zwischen den Steinelementen schließen.
Das Projekt wird wissenschaftlich vom Historiker Wolfgang Weber begleitet. Weber, Past-Präsident der Lions Hohenems – der Club hatte sich im Sinne der Statuten der Lions Bewegung für das Denkmal eingesetzt – forscht seit Jahren zur Euthanasie der NS-Diktatur. Als Gründungsmitglied des Vorarlberger Monitoringausschusses, der die staatliche Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention begleitet, beschäftigt er sich auch mit Fragen der Rechte von Menschen mit Behinderungen in der Gegenwart. Mit dem Landeskrankenhaus Hohenems fand die Stadt einen Partner für einen passenden, symbolischen Aufstellungsort eines solchen Denkmals. Es ist seit der feierlichen Eröffnung am 27. November 2019 im Garten des Landeskrankenhauses zu finden, direkt an der Kreuzung zwischen Bahnhofstraße und Kaiserin-Elisabeth-Straße. Das Krankenhaus ist ein Ort des Heilens und der Pflege von hilfsbedürftigen Menschen. Zumindest eines der Hohenemser NS-Euthanasieopfer war jedoch von dieser Stelle aus, vom einstigen Altersheim über die Rankweiler Valduna in den Tod geschickt worden.
Auf dem Denkmal selbst sind keine Namen vermerkt. Es steht stellvertretend für die infolge der NS-Euthanasie Ermordeten, die bis heute unbekannte Anzahl von u. a. vom Feldkircher Amtsarzt sanktionierten Zwangssterilisierungen und Zwangsabtreibungen bei Menschen mit Behinderungen, aber auch alle weiteren Opfer nationalsozialistischer Verfolgung.
Die derzeit bekannten Namen der Opfer der NS-Euthanasie sind hier abrufbar und können laufend um neue biographische Erkenntnisse der NS-Verfolgung ergänzt werden. Derzeit sind die Vornamen und Lebensdaten jener Hohenemser Menschen mit Behinderungen genannt, welche in NS-Tötungsanstalten umgebracht wurden und welche die NS-Euthanasie überlebten. Ergänzend wird auf Opfer der politischen Verfolgung der NS-Diktatur verwiesen, welche bis jetzt von der Forschung noch nicht genannt wurden, so z. B. den 36-jährigen Hilfsarbeiter Heinrich, der im KZ Oranienburg zu Tode kam.