Rudolf-von-Ems-Straße

1909 benannt, zuvor Bauernstraße. Verbindung von der Angelika-Kauffmann-Straße zur Lustenauer Straße. Landesstraße L 47.

Rudolf von Ems, um 1200 – 1254(?)

Rudolf von Ems ist der erste namentlich bekannte Dichter unseres Landes. Über sein Leben waren lange Zeit kaum genaue Angaben vorhanden, aber die neuere Literaturforschung hat doch einige Spuren aufgedeckt, und zwar stammen sie größtenteils von ihm selbst. Wurde er früher als Epigone eingestuft, also als Künstler, der einen Stil unschöpferisch nachahmt, so weiß man heute, dass ihm und anderen Erzählern des 13. Jahrhunderts mit dieser abwertenden Einordnung Unrecht geschah. Wenn Rudolf von Ems auch vielfach nach Vorlagen arbeitete, seinen Dichtungen fehlt es dennoch nicht an Eigenständigkeit und Formensinn. Seine Werke wurden im 18. Jahrhundert sehr positiv, vereinzelt sogar begeistert  aufgenommen. Im 19. und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts änderten sich die Ansichten der Literaturgeschichtsschreiber. Jede Nachahmung galt als literarisch minderwertig. Erst heute wird den Schöpfern der späteren mittelalterlichen Literatur, unter ihnen Rudolf von Ems, der gebührende Platz zugewiesen. Er wird als Dichter mit erstaunlicher Schaffenskraft eingestuft.

Die Ritter von Ems, über deren Herkunft nur Vermutungen angestellt werden können, waren ein staufisches Ministerialengeschlecht, also Angehörige des niederen Adels, der eine Hauptstütze der staufischen Reichspolitik war. Fast am Anfang der Stammtafel des Hauses Ems findet man Rudolf von Ems, den Dichter (geboren um 1200). Es ist anzunehmen, dass er geistliche Schulbildung genossen hat. Wo diese Bildungsstätte war, kann wieder nur vermutet werden: entweder die Domschule in Konstanz oder die Klosterschule Sankt Luzius bei Chur. Rudolf von Ems begab sich später jedoch, wohl weil er von den Staufern kein Lehen erhalten konnte, in die Dienste des stauferfreundlichen Grafen Hugo II. von Montfort.

Von dem wart dis maere
Wie es geschehen waere,
ainem knappen erkant,
Der ist Rudolf genant,
Ain dienest man zu Muntfort

(Aus „Willehalm von Orlens“)

Im Auftrag eines konstanzisch-bischöflichen Ministerialen schuf Rudolf von Ems um etwa 1220 sein erstes Werk, den höfischen Roman „Der gute Gerhard“. Erstaunlich daran ist, dass ein Adeliger, wenn auch nur Ministeriale, zum ersten Mal einen bürgerlichen Kaufmann in den Mittelpunkt der Geschichte stellt, dessen Taten höher einzuschätzen sind als die eines Kaisers.

„Barlaam und Josaphat“, eine Geschichte in lateinischer Fassung, wurde von Rudolf von Ems um 1225 in Deutsch dargestellt. Es handelt sich um eine Umarbeitung der Geschichte Buddhas, die damals sehr beliebt gewesen sein muss.

Nach einer welschen „maere“ erzählt Rudolf von Ems die Liebesgeschichte von „Willehalm von Orlens“. Schenk Konrad von Winterstetten, der Berater und Erzieher der jungen Stauferkönige Heinrich und Konrad, war der Auftraggeber zu diesem Werk, und diese Tatsache zeigt, dass Rudolf von Ems großes Ansehen genoss.

Sein großer höfischer Königsroman „Alexander“ sollte zehn Bücher umfassen, er blieb aber unvollendet (vier Bücher fehlen). Da Rudolf von Ems keinen Auftraggeber nennt, hat er dieses Werk möglicherweise aus eigenem Antrieb gedichtet.

Die „Weltchronik“ ist das letzte und zugleich umfangreichste Werk Rudolfs von Ems. Es entstand um 1250 im Auftrag des jungen Stauferkönigs Konrad IV. und behandelt in über 33.000 paarweise gereimten Versen die Weltgeschichte von der Erschaffung der Welt bis zum Tod König Salomons. Das Werk war das Lieblingsbuch der gebildeten Leute im Mittelalter. Bis zur Bibelübersetzung Martin Luthers rund 250 Jahre später war die „Weltchronik“ die Quelle, aus der die Bevölkerung Kenntnis vom Alten Testament bezog.  Rudolf von Ems ergänzte die biblischen Geschichten durch heidnisches Geschehen und berichtete von antiken Göttern, Königen und Staaten. Der Ritter und Hofdichter der Staufer wollte seinen Lesern neben Belehrung auch Vergnügen, die „Kurze Wile“ bringen. Die berühmte Handschrift der „Weltchronik“ befindet sich im Besitz der Kantonsbibliothek Vadiana in Sankt Gallen. Dieses herrliche Werk aus dem Mittelalter wurde 1982 von einem Verlag in Luzern als Faksimile-Ausgabe präsentiert.

Die Geschichte „Eustachius“ ist von den Vorlagen her bekannt, die Dichtung Rudolfs aber ist verschollen. Der Fortsetzer der unvollendeten „Weltchronik“ berichtet, dass der  Dichter „Ruodolf von Ense“ „in welschen riehen“ gestorben sei. Daraus wurde abgeleitet, dass Rudolf von Ems den König Konrad IV. auf seinem Italienzug begleitet und im gleichen Jahr (1254) wie sein König den Tod gefunden habe. Die Angabe „in welschen richen“ ist allerdings sehr vage, „welsch“ kann – den Schluss lassen die Vorlagen zu seinem „Willehalm von Orlens“ zu – auch „französisch“ bedeuten. So kann man über das Datum und die näheren Umstände von Rudolfs Tod nichts Sicheres aussagen.

Heribert Fenkart, 1984

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