Rosenthalstraße

1963 benannt. Im Ortsteil Schwefel, im südlichsten Siedlungsbereich von Hohenems, führt diese Straße in zwei Teilstücken (Sackgassen) von der Kaplanstraße in Richtung Götzis, vom Bützenweg in Richtung
Ortsmitte. Privatstraße.

Familie Rosenthal, in Hohenems von 1744 bis 1931

Bis 1813 führte diese Familie den Namen Levi und zählte zu den ältesten Israelitenfamilien in Vorarlberg. Schon 1688 wurde Abraham Veit Levi als einer der drei Juden in Sulz erwähnt, die wegen ihres Reichtums dort geduldet wurden. Dessen Sohn Veit Levi übersiedelte in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus Sulz nach Hohenems und wurde 1744 in der Liste der zwanzig Hohenemser Schutzjuden angeführt. Die Söhne Veits, Joseph und Urban, erzielten als Vermittler zwischen dem Schweizer und später auch dem Vorarlberger Produktionsmarkt vor allem für Textilien und den Absatzgebieten Tirol und Italien große Umsätze und standen an der Spitze der Hohenemser Händler.

Urban Levi (1765 – 1826), seit 1813 Urban Rosenthal – alle Juden mussten in diesem Jahr über königlich-bayrisches Dekret einen Familiennamen annehmen – begründete jene Firma, aus der später das große Fabriksunternehmen werden sollte. Nach seinem Tod führten die Söhne das Geschäft unter dem Namen Urban Rosenthal sel. Söhne und ab 1833 als Firma Gebrüder Rosenthal weiter.

Die Brüder Philipp (1801 – 1859) und Joseph (1805 – 1862) waren anfänglich als Fergger tätig. Sie kauften Garne, ließen diese im Stücklohn weben und verkauften die Gewebe in ungebleichtem Zustand. Da sie auch Waren in Dornbirn färben ließen, kam es zu regen geschäftlichen Beziehungen zwischen beiden Orten.

Als Teilhaber der Firma Gebrüder Rosenthal & Co. waren Philipp und Joseph von 1833 bis 1838 Mitbesitzer an der bedeutenden Baumwollspinnerei des Johann Kaspar Kopf in Götzis. Von 1838 bis 1843 betrieben die Brüder Rosenthal in Dornbirn-Schwefel im Haus des Johann Georg Ulmer eine mechanische Baumwollspinnerei. Mit Ablauf des auf fünf Jahre befristeten Vertrages ließen sie die Dornbirner Spinnerei auf.

Sie hatten inzwischen (1841) von der Witwe des Isak Löwengard das ganze Badhaus, die Schwefelquelle, die Spinnerei, Wasserleitung, Weiher, diverse Grundstücke und so weiter in Hohenems-Schwefel käuflich erworben und damit den Grundstein zur möglichen Erweiterung und Bedeutungssteigerung ihrer Firma gelegt. Die ehemalige Spinnerei der Löwengards im rechtsseitigen Teil des alten Badhauses wurde von den neuen Besitzern zu einer Cotton- und Tücheldruckerei umgebaut, bald darauf wurde eine Türkischrot-Färberei errichtet. Als dritter Fabrikationszweig kam die Herstellung von Tüllstickerei hinzu. Die  Hauptabsatzgebiete für die Erzeugnisse der Firma Rosenthal waren sämtliche Kronländer der Monarchie, vor allem Ungarn und Böhmen, aber auch Oberitalien, die Balkanstaaten und Russland.

Im Jahr 1858 erfolgte die Ausweitung des Betriebes Schwefel durch den Bau der neuen großen Druckerei und Färberei rechts von der Straße (heute Otten-Areal), gegenüber dem alten Betriebsgebäude, dem Schwefelbad. Durch die Errichtung einer neuen Kesselanlage (1869) und weitere Zubauten wurde der Betrieb ständig vergrößert.

Schon 1856 hatten die Gebrüder Rosenthal „in der Säge“ (obere Fabrik – ehemalige Wohnanlage der Textilwerke Otten) eine mechanische Weberei errichten lassen, in der nach mehrfachen Vergrößerungen ungefähr 120 Webstühle mit Wasser- und Dampfkraft in Betrieb waren. Etwa 20 Jahre später wurde weiter unten am Salzbach (heute: Firma Huber, Burgstraße) eine weitere mechanische Weberei mit 147 Webstühlen errichtet. Im Jahr 1883 übernahm die Firma Rosenthal die abgebrannte ehemalige Stärkefabrik („Klärefabrik“ — an der Schweizer Straße) und ließ eine neue Bleicherei und ihre dritte Weberei (62 Webstühle) erbauen. Mit den beiden mechanischen Webereien in Mühleholz zwischen Schaan und Vaduz im Fürstentum Liechtenstein (1869 und 1883 erworben) mit letztlich 351 Webstühlen besaß die Firma Gebrüder Rosenthal zu Beginn des 20. Jahrhunderts 680 Webstühle.

Im Jahr 1869 hatten die Gebrüder Rosenthal von den Erben nach Johann Michael Ohmeyer eine 1842 in Rankweil neu erbaute Baumwollspinnerei samt Nebengebäuden und Grundbesitz gekauft. Der Betrieb wurde im Zug der technischen Entwicklung des Spinnereiwesens modernisiert und von 7000 auf 26.000 Spindeln erweitert.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts (1902 – 1904) wurden die Rosenthal’schen Betriebe in Hohenems mit elektrischem Strom versorgt. Hiezu wurde im Schwefel eine eigene elektrische Anlage mit Dampfbetrieb (500 PS) errichtet.

Die Firma Gebrüder Rosenthal beschäftigte zu Beginn des 20. Jahrhunderts etwa 1000 Arbeiter, und viele standen jahrzehntelang im Dienst dieses Unternehmens mit Weltruf. Auch die sozialen Leistungen der Firma waren bemerkenswert und gingen weit über die gesetzlichen Vorschriften hinaus. So wurden zum Beispiel im Jahr 1885 in Hohenems Arbeiterwohnungen in der heutigen Kaiser-Franz-Josef-Straße 138, 140, 142 und 144 eingerichtet und im Jahr 1900 in der Schwefelbadstraße („Polentagaß“) sechs  Wohnhäuser für Betriebsangehörige gebaut. Mit Rankweil und Vaduz zusammen gab es 104 Wohnungen für Arbeiter und Angestellte der Firma. Bemerkenswert ist auch, dass eigene Bäder für die Betriebe Hohenems-Schwefel und Rankweil errichtet wurden und sich seit 1904 in der Druckerei im Schwefel eine Bibliothek mit Lesesaal befand.

Im Jahr 1905 wurde im Amtsblatt die Umwandlung der Firma in „Gebrüder Rosenthal, Aktiengesellschaft für Textilindustrie“ veröffentlicht, in der neben den bekannten österreichischen Industriellen Ludwig, Julius, Anton und Iwan Rosenthal auch die k. k. priv. österr. Kreditanstalt für Handel und Gewerbe beteiligt war.

Die Wirtschaft geriet 1912/13 durch die Balkankriege in eine schwere Krise, die sich besonders in der Textilindustrie bemerkbar machte. So wurde am 1. Oktober 1912 im Rosenthalbetrieb Schwefel der Arbeiterstand von 530 auf 263 reduziert, im Frühjahr 1914 waren noch 140 Arbeiter beschäftigt. Die Webereifabrikanten „in der Säge“ hatten auf Kurzarbeit umgestellt. Auch das Gastarbeiter-Problem (Tschechen, Italiener) war damals aktuell.

Nachdem schon 1913 einzelne Betriebe (Rankweil, Webereien in Hohenems und Vaduz) verpachtet worden waren, kam es im Jahr 1916 zur Teilung des Unternehmens und zum Verkauf. Die Hohenemser Betriebe Schwefel und Schweizer Straße gingen an die Firma M. B. Neumanns Söhne OHG, Wien, über; die Webereien „in der Säge“ wurden an die Hammersteiner Spinnerei und Weberei Adolf Schwab AG in Wien verkauft. Seit 1942 ist die Firma Otten im Besitz des Betriebes im Schwefel.

Will man eine Persönlichkeit aus der großen Fabrikantenfamilie Rosenthal besonders erwähnen, darf man Philipp Rosenthal (1801 — 1859), einen der Firmengründer, wohl zuerst nennen. Alle Schwierigkeiten, die sich beim Aufbau der Firma ergaben, hielten ihn nicht davon ab, sich mit höchster Anspannung der Kräfte seiner politisch selbständig gewordenen Judengemeinde Hohenems als gewählter Bürgermeister von 1850 bis zu seinem Todesjahr 1859 zur Verfügung zu stellen. Er entsprach mit seinen korrekten Anschauungen den Erwartungen der Israeliten, aber auch die Christengemeinde schätzte ihn als Wohltäter ohne Unterschied der Konfession.

Die großzügigen Rosenthal’schen Stiftungen kamen vor allem dem israelitischen Schulfonds und dem Armenfonds, aber auch christlichen Armen zugute.

In der Blütezeit des Unternehmens Rosenthal bauten oder kauften Angehörige dieser Familie schöne, erhaltenswerte Häuser. Von 1881 bis 1916 gehörte das Haus Schweizer Straße 1 (heute: Schubertiade) der Rosenthal AG, Wien. Anton Rosenthal ließ 1864 das Haus Schweizer Straße 5, die Heymann-Villa (heute: Jüdisches Museum), bauen, die 1928 als Erbe an seine Tochter Klara Heymann kam. Iwan Rosenthal besaß das Palais Radetzkystraße 1 (später: Dr. Schebesta, wird derzeit saniert).

Iwan Rosenthal (gestorben 1929) und seine Frau Franziska, geborene Brettauer (gestorben 1931), waren die letzten aus der Familie Rosenthal, die in Hohenems starben und auf dem Judenfriedhof ihre letzte Ruhestätte fanden. Das traurige Schicksal der Klara Heymann: Tod im Konzentrationslager Theresienstadt.

Heribert Fenkart, 1984, 2023 aktualisiert

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