Marktstraße

1909 benannt, zuvor Christengasse. Reicht vom Kirchplatz bis zur Radetzkystraße.

Das Gebiet, auf dem sich heute die Marktstraße samt ihren Häusern, Höfen und Stadeln befindet, hieß früher Kirchenfeld oder Benzersfeld, denn schon 1433 saß hier ein Ruodi Bentzer und seine Frau Anna Greterin, die eine Leibeigene Michels von Ems war. Im Lauf der nächsten 150 Jahre kauften die Herren von Ems das ganze Gebiet auf, das aber nach wie vor landwirtschaftlich genutzt wurde.

Graf Kaspar wollte die Wirtschaft intensivieren und folgte daher einer Anregung seines Bruders Markus Sittikus, der damals noch Dompropst in Konstanz war, indem er sich bemühte, Händler und  Gewerbetreibende nach Hohenems zu bringen. In einem Freibrief vom 21. März 1605, der weithin verschickt wurde, versprach er allen, die sich hier niederlassen und ein neues Haus von Mauer- oder Riegelwerk bauen wollten, an einer von seinem Bruder bereits ausgesteckten Gasse einen bequemen Platz und eine Hofstatt zu schenken. Sogar das Holz für die Häuser sollten die Ansiedler gratis aus den gräflichen Waldungen erhalten. Sie und ihre Nachkommen waren von der Leibeigenschaft befreit und standen als freie Bürger unter seinem Schutz und Schirm. An Abgaben waren lediglich ein Kapaun (junger Masthahn) zur Erkenntnis des Baugrundes und die auch andernorts gebräuchliche Fasnachthenne zu entrichten. Der Freibrief verfehlte seine Wirkung nicht, denn die Zuwanderer kamen aus allen Himmelsrichtungen: Von Brüssel, aus dem Elsass, von Lindau, vom Zürichsee, aus Innsbruck und Salzburg.

Markus Sittikus wollte, weil die Gasse wohl auf seinem Grund und Boden ausgesteckt worden war, dass diese auf ewige Zeiten als „Herrn Dompropsts Gassen“ bezeichnet werde. Die emsischen Untertanen und die Bürger dieser Gasse aber nannten sie voll Stolz „Stadt“, was den inzwischen zum Fürsterzbischof von Salzburg gewordenen Markus Sittikus so ärgerte, dass er 1617 von seinem Bruder Graf Kaspar energisch verlangte, dieser solle auf allen Kanzeln verkünden lassen, wer die Gasse nicht mit der von ihm gewählten Bezeichnung benenne, habe Strafe an Leib und Gut sowie Verlust der eben erlangten Bürgerrechte zu gewärtigen. Der zwei Jahre darauf erfolgte Tod des Erzbischofs enthob die Leute jedoch dieser Sorge. Einige Zeit nannte man diese Straße in Bezug auf die Rechte der dortigen Bewohner auch Freigasse.

Nachdem aber Graf Kaspar 1617 zwischen der Freigasse und dem Emsbach Juden aus der Markgrafschaft Burgau angesiedelt hatte, unterschied man im Volksmund bald zwischen der Judengasse und der Christengasse, welche Ausdrücke sich bis in die erste Hälfte unseres Jahrhunderts erhalten haben. Graf Kaspar kaufte sich sogar selbst in der Freigasse ein, indem er um 700 Gulden das Wirtshaus des Jos Metzler erwarb und es um weitere 1060 Gulden zu einer herrschaftlichen Taverne ausbauen ließ (später Gasthof „Engelburg“).

In der Dompropstei- oder Freigasse war auch das Schulhaus der Gemeinde und zwar gegenüber vom Pfarrhof. Unterrichtet wurde nur von Martini bis Ostern und zwar hauptsächlich Lesen und Schreiben. Jedes Kind musste pro Woche zwei Kreuzer bezahlen und in der kalten Jahreszeit täglich ein Scheit mitbringen, doch war den armen Leuten meist sogar das zu viel. Nach der Einführung der allgemeinen Schulpflicht durch Kaiser Josef II. im Jahr 1781 wurde das Schulhaus zu klein und daher musste die angrenzende Hofkaplanei (heute Willamhaus) ebenfalls als Schulhaus benutzt werden. Um 1813 mussten sogar zwei Klassen in der Taverne untergebracht werden.

Ein schwerer Schicksalsschlag traf die aufstrebende Freigasse im Jahr 1777 durch die größte Brandkatastrophe, von der Hohenems jemals heimgesucht wurde. Am 15. November, einem Samstagabend, brach im Stadel des Sebastian Witzemann (letzter Stadel ob dem Konsum) durch Unvorsichtigkeit ein Feuer aus, das sich durch den heftigen Nordwind angefacht mit Windeseile ausbreitete. In kurzer Zeit standen 22 Christen- und 16 Judenhäuser nebst 32 Stadeln und Nebengebäuden in hellen Flammen. Mit der gesamten Habe verloren die Abbrändler auch alle Wintervorräte, wodurch zum einbrechenden Winter auch noch das Gespenst einer drohenden Hungersnot kam. Damit die Leute nicht betteln gehen mussten, sammelte man im ganzen Rheintal Lebensmittel. Auf Fuhrwerken, die sogar „durchaus Zoll- und Weggeldfrey“ passieren durften, brachte man viele Viertel Vesen, Roggen, Haber, Türken, Gerste, Grundbühren (Kartoffeln) sowie Brot nach Hohenems und linderte so die ärgste Not.  Außerdem wurde unter Aufsicht der österreichischen Regierung in ganz Vorarlberg, in Liechtenstein, in der
angrenzenden Ostschweiz und im benachbarten Süddeutschland eine Sammlung veranstaltet, die  immerhin 4909 Gulden und 53 Kreuzer erbrachte. Damit wurde zunächst ein Kalkofen aufgebaut und mit dem dort gebrannten Kalk der Wiederaufbau begonnen. Das restliche Geld wurde an die Abbrändler verteilt, wobei nach dem komplizierten Schlüssel die Reichen weniger, die Armen aber mehr erhielten. Nur
einer erhielt nichts: Sebastian Witzemann als Urheber der Katastrophe. Im Revolutionsjahr 1848 brach interessanterweise im selben Stadel, vermutlich durch die Unvorsichtigkeit eines Soldaten der österreichischen Besatzung, wieder ein Brand aus und legte in kurzer Zeit 14 Stadel in Schutt und Asche. Schließlich wurde Hohenems am Freitag, dem 24. Jänner 1958 von einem ähnlichen Großbrand bedroht wie 1777. Wieder war fast an der gleichen Stelle ein Brand ausgebrochen, der sich in kurzer Zeit auf eine Länge von 100 Meter ausdehnte. Diesmal aber gelang es den Feuerwehren von Hohenems und Dornbirn, ein Übergreifen des Brandes auf die sehr nahe gelegenen Häuser zu verhindern.

Früher war kaum daran zu denken einen Brand zu löschen, da es meist am nötigen Wasser mangelte. In der Freigasse gab es fast 300 Jahre lang nur eine Wasserleitung mit hölzernen Teucheln, aus der der Brunnen bei der Einmündung der Judengasse gespeist wurde. Dieser war natürlich sofort leergeschöpft. Nach der Feuerordnung des Grafen Kaspar musste im Brandfall ein Schmied bei des Kaplans Haus ein Wassergerinne entsprechend ableiten. Nachbarn mussten inzwischen mit herbeigetragenem Mist eine Art Staumauer errichten, sodass aus dem entstehenden Reservoir Wasser geschöpft werden konnte. Meist reichte es aber gerade noch aus, die angrenzenden Häuser zu retten. Das wurde erst besser, als 1904 mit dem Bau der Hochdruckwasserleitung jedes Haus seine eigene Wasserleitung bekam. Die fast gleichzeitige Einführung des elektrischen Lichtes verminderte die Brandgefahr noch weiter.

Als im Jahr 1909 im Zug der Erstellung eines Bebauungs- und Kanalisierungsplanes alle Straßen benannt werden mussten, erhielt die Christengasse, wie sie damals noch genannt wurde, den Namen Marktstraße.

Bernhard Babutzky, 1984, 2023 aktualisiert

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