Hermann-Büchele-Straße

1909 benannt. Sie verbindet die Radetzkystraße mit der Erlachstraße. Ursprünglich Steinbruchstraße genannt, hieß sie bis 1979 Büchelestraße, seither heißt sie Hermann-Büchele-Straße.

Hermann Büchele 1851 – 1908

Am 2. Juli 1851 wurde Hermann Büchele als Sohn des Franz Xaver Büchele und der Gertrud, geborene Thurnher, in Dornbirn geboren. Da seine Eltern Anfang der fünfziger Jahre des vorigen Jahrhunderts in Hohenems das Gasthaus „Schiffle“ gebaut hatten und es auch führten, besuchte Hermann die Emser Volksschule. Nachher kam er in die Lehre zum Schmiedemeister Karl Amann. Als Geselle holte er sich Berufserfahrung und weitere Ausbildung in Sankt Gallen. Von dort zurückgekehrt, heiratete er Katharina, die einzige Tochter seines ehemaligen Lehrherrn Amann.

Wirtschaftlich interessierte Hohenemser Juden boten dem jungen, vielversprechenden Schmiedemeister Hermann Büchele Räumlichkeiten und Freiflächen in der „Untergaß“ (Radetzkystraße 18) an, wo er 1878 mit der Wagenerzeugung begann. Durch Tüchtigkeit, Fleiß und technisches Können gelang es ihm rasch, sich und seiner Firma einen guten Ruf zu erwerben, und er konnte seinen Betrieb so vergrößern, dass er industriellen Charakter bekam. Die Firma Hermann Büchele beschäftigte 30 bis 40 qualifizierte Arbeiter, davon 14 Schmiede, acht Wagner, einige Sattler, Lackierer und andere. Es wurden nicht nur  Gebrauchswagen, sondern vor allem auch Luxuswagen von ausgezeichneter Qualität erzeugt. Jeder Wagen wurde zuerst überbelastet auf der Strecke Hohenems – Kobel – Altach streng geprüft, bevor er fertig ausgestattet wurde. Die eleganten Kutschen (gefederte Personenwagen mit Verdeck), Coupés (geschlossene Kutschen mit zwei Sitzen), Chaisen (halboffene Wagen), Landauer (viersitzige Wagen mit nach vorn und hinten vollkommen zusammenlegbarem Verdeck) und Spezialanfertigungen wurden vor allem auch in die Schweiz geliefert. Damals schon gab es Liebhaber besonderer Fahrzeuge; so kaufte Dr. Simon Steinach, weitum bekannter jüdischer Arzt in Hohenems, immer wieder eines der neuen, schönen Modelle.

Auf der Landesausstellung in Bregenz 1887 stellte Hermann Büchele seine Erzeugnisse zur Schau, und dass er auch Käufer fand, beweist die Tatsache, dass heute noch gelegentlich Chaisen und Landauer aus seiner Produktion auftauchen. Auch andere Wagen waren jahrzehntelang im Einsatz. So konnte Anfang der fünfziger Jahre der jetzige Schifflewirt bei einem Begräbnis in Zürich feststellen, dass der Leichenwagen aus der Büchele-Produktion stammte, auch der Leichenwagen in Hohenems war bis vor wenigen Jahren ein Erzeugnis der Wagenfabrik Büchele.

Seinen Weitblick und seine Anpassungsfähigkeit an den technischen Fortschritt bewies Hermann Büchele beim Aufkommen der ersten Automobile. Er kaufte Chassis (Fahrgestelle) und verfertigte dazu die Aufbauten. Ein solches Büchele-Erzeugnis wurde als erstes Auto im regelmäßigen Linienverkehr von Dornbirn ins Gütle eingesetzt, er lieferte auch das erste Auto des Grafen Waldburg-Zeil-Hohenems.

„An Fabrikant Büchele“, so äußerte man in Fachkreisen, „ist einer der besten Ingenieure verloren gegangen“, und er selbst meinte mit Bedauern: „Ja wenn ich hätte studieren können!“ Er war aber nicht nur technisch, sondern auch kaufmännisch sehr begabt. „Keine Buchführung vermochte mehr als sein ausgezeichnetes Gedächtnis, jedes Konto hatte er im Kopf“, wusste seine jüngste Tochter Hermine, die nach Hermann Bücheles Tod (1908) und nach dem tödlichen Autounfall seines tüchtigen Sohnes und Nachfolgers im Betrieb, Josef Büchele, ab 1913 das Unternehmen weiterführte. Im Jahr 1919, nach dem Ersten Weltkrieg, wurde die Fabrik verkauft.

Der ungemein vielseitige Hermann Büchele nutzte jede Chance, sich wirtschaftlich hochzuarbeiten. Wenige Jahre nach der Gründung der Wagenfabrik schloss er 1883 mit Graf Clemens von Waldburg-Zeil-Hohenems einen Pachtvertrag über die „Flur Spitzenegg“ zur Anlage eines „Steinbruch- und Schotterwerks“. Diese Firma „Büchele und Fenkart“ gab in der damaligen Zeit vielen Emsern Gelegenheit, ihr Brot zu verdienen. Im Jahr 1900 waren laut Hohenemser Meldebuch auch 20 Arbeiter italienischer Muttersprache aus Welschtirol im Steinbruch beschäftigt. Da Hermann Büchele als Sohn des Schifflewirtes enge Beziehungen zu diesem Gasthaus unterhielt und seine Arbeiter auch gerne dieses dem Steinbruch nächstgelegene Wirtshaus aufsuchten, wurde vom „Schiffle“ hinüber ins Erlach das „Schiffleweagle“ angelegt, welches heute noch von lokaler Bedeutung ist.

Nach den großen Rheinüberschwemmungen 1888 und 1890 mehrten sich die Aufträge bedeutend. Damit der Abtransport des Materials reibungsloser vor sich gehen konnte, legte Hermann Büchele gewissermaßen in Eigenregie ein Industrie-Bahngleis vom Steinbruch über die Bundesstraße zur Bahnlinie, wo auf einem Nebengleis Steine und Schotter direkt in die Bahnwaggons verladen werden konnten. Er baute, ebenfalls ohne jede öffentliche Hilfe, die heute nach ihm benannte Straße vom Steinbruchgelände zur „Landstraße“, und zwar so solid, dass sie, trotz ungünstiger Untergrundverhältnisse, auch die später viel schwereren Lastkraftwagen aushielt.

Der Büchele-Steinbruch musste 1976 aus Gründen des Umweltschutzes stillgelegt werden, drei Jahre später wurden die Anlagen abgebrochen, beziehungsweise verbrannt. Die Liegenschaften der Firma Büchele werden von Bücheles Erben verwaltet.

In der Zeit des Aufbaues seiner Betriebe schuf der rastlos schaffende Hermann Büchele für sich und seine Familie (drei Kinder) 1887/88 ein schönes Heim an der „Landstraße“, heute Radetzkystraße 15. Auf den großen Wiesen beim Steinbruchgelände, die zu seinem Besitz gehörten, legte er vorbildliche Obstkulturen an.

Immer war Hermann Büchele voller Pläne, und jeder Plan musste „woalle, woalle“ ins Werk gesetzt  werden. Trotzdem war der große, gut aussehende Mann freundlich und allgemein beliebt, niemandem mochte er gern etwas abschlagen. Sogar die Kinder liefen ihm zu, für die er immer etwas Gutes aus der Tasche ziehen konnte. Er kannte alles, was reiten oder fahren konnte, und immer wieder machte er neue Bekanntschaften. In der Gemeindepolitik wirkte er aktiv mit, nachdem er bei drei Wahlen in den achtziger Jahren im 1. Wahlkörper zum Gemeindevertreter gewählt worden war. Besonders interessierte er sich für die politischen Zusammenhänge im großen und sah einen verstärkten Antisemitismus voraus. Auch die Probleme, welche die Industrialisierung und Mechanisierung mit sich brachten, beschäftigten ihn, und er fürchtete eine Zukunft der Arbeitslosigkeit und der Kriege. Wie recht er doch hatte!

Hermann Büchele starb nach längerer Krankheit, jedoch unerwartet rasch am 28. November 1908.

Herbert Fenkart, 1984

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